Stilprobe – Knud O’Hara
Als kleines Leckerli zwischendurch gönne ich euch ab jetzt hin und wieder einen kurzen Auszug aus Werken von Knud O’Hara:
Depressionen.
Wut.
Verzweiflung.
Wahnsinn.
Daniel wurde von Mächten geritten, die sich der menschlichen Vorstellungskraft entzogen. Schlaflose Nächte und Wahnvorstellungen waren die einzigen Ereignisse der letzten Tage. Seine Welt war auf den Kopf gestellt und er vermochte sich nicht aus der Misere zu befreien. Es schien eine göttliche Macht gegen ihn zu wirken. Eine düstere unheilvolle schwarze Göttin, die die Welt mit ihrer Dunkelheit einhüllte. Ihr Name war Roberta Whatley und er sah sie und ihren Namen wie graviert in seinem Kopf.
Die Millionen und aber Millionen von Bildern, die er von ihr sah. Von diesem grausamen Weibsbild.
Millionen von Bildern auf Titelblättern von Zeitungen und Zeitschriften.
Millionen von Bildern auf Plakaten.
Millionen im Fernsehen. In den Nachrichten. In Diskussionsrunden. In Umfragen. Ihr Name in aller Munde. Im Radio. Auf den Straßen. In seinem Kopf. Einfach überall.
Ihr Lächeln strahlte ihm, als freue sie sich voll von Gehässigkeit über ihren Sieg, von allen Bildern entgegen. Ihre strahlendweißen Zähne blitzten souverän hervor zwischen ihren dunklen Lippen und verzogen sich in Daniels Augen zu einem Fletschen, dass sein Inneres zum Brodeln brachte.
Man konnte ihn fast als Paranoid bezeichnen, als so allgegenwärtig empfand er sie, so verfolgt fühlte er sich von ihr und ihrer Aura, ihrem zähnefletschenden Lächeln, ihrer augenscheinlichen Souveränität, Kompetenz, autoritären Führungscharakter. Die Medien betitelten ihr neues Staatsoberhaupt wie eine heilige Märtyrerin, so schien es ihm. Die Vergöttlichung, mit der er Roberta assoziierte, rührte wohl von der Unfassbarkeit, die ihn sogleich erschüttert hatte, als der große Knoten geplatzt war.
Dass Roberta Whatley wirklich die Wahl gewinnen könnte, war die Begebenheit, die er am wenigsten erwartet hätte. Er hatte natürlich nicht vergessen, dass sie für eine Frau ein wirklich heimtückisches Geschick besaß, andere zu bekehren und irgendwie die Macht an sich zu reißen und trotzdem wie ein gütiges Unschuldslamm, wie die weise wissende Frau, die alles sicher in der Hand hat, auszutreten.
Er musste es sich doch vorhalten, um nicht die Wichtigkeit von Josephs Sieg im Wahlkampf aus den Augen zu verlieren. Er verstand auch immer noch nicht, wie es so viele Männer hatte geben können, die dumm genug gewesen waren, die Macht in die Hände einer Frau zu geben.
Frauen waren nicht zum Regieren geschaffen worden, das wusste Daniel, und wenn es kein anderer wusste, er wusste es. Er wusste auch, dass es viele gab, die seine Meinung teilten. Er fragte sich, wie die Wählerschaft einen solchen schafsköpfigen Entschluss hatte fassen können. Er wusste zwar, dass Menschen durch aus sehr stumpf veranlagt waren in diesem Aspekt, doch so stumpf? Er kam zum Schluss, dass die wichtige Mehrheit gar nicht wählen gegangen war.