Urlaub in Thailand und sein bitterer Nachgeschmack
Thailand – mit seinen wunderschönen Wasserwelten, Inselgruppen, Tempeln und idyllischen Landstrichen wunderschön anzusehen. Lokales Essen, Pad Thai, frische Früchte und exotische Spezialitäten an jeder Straßenecke. In der Luft liegt ein Geruch von heißen gerade zubereiteten Köstlichkeiten, den verschiedensten Gewürzen, Räucherstäbchen. Und der Gestank des Tourismus.
Der Aufenthalt in Thailand hatte für mich definitiv zwei Seiten. Ich habe die Bilderbuch-Buchten, das gute Essen und vor allem die Sonne sehr genossen und doch hatte das Ganze irgendwie einen leicht bitteren Nachgeschmack. Warum fährt man an einen Ort wie Thailand? Weil es warm ist, weil die Fotos im Internet schön aussehen und weil es sicher ist. Sicher ist in unserer heutigen Welt ein sehr relativer Begriff. Und doch kann man an einem Ort, an dem sich so viele Touristen aufhalten wohl annehmen, dass es sicher ist. Wenn ich von »Backpacking durch Thailand« erzähle, klingt das erst mal nach einem abenteuerlichen Tripp – wunderschöne Landschaften und nichts als den Rucksack mit seinem Hab und Gut dabei. Fakt ist aber: Von diesen Backpackern gibt es dort etliche geradezu unzählbare Mengen. Nachdem wir auf einem mehrstündigen Tripp mit Tetris ähnlichem Geschick gemeinsam mit anderen Touristen und Gepäck in einem Minibus geradezu verladen wurden, kam mir irgendwie der Vergleich zu einer Viehherde in den Sinn, welcher erst einmal etwas hart erscheint, mir aber in vielerlei Hinsicht sehr passend vorkommt.
Das schöne mit uns Menschen ist, dass wir immer nach einer neuen frischen grünen Wiese suchen, auf der die Grashalme noch von einer erfrischenden Schicht Raureif bedeckt sind, kein Halm einen Knick besitzt, kein anderer je gegrast hat. Das ist so weit verständlich, denn Reisen ist günstiger denn je und die billigen Flüge und Angebote sorgen dafür, dass es fast egal wird, welches Ziel wir letzten Endes wählen. Das Ganze hat nur einen Haken: Unsere Weidegründe sind begrenzt. Wir neigen in jeder Hinsicht und eigentlich immer dazu, uns zu überfressen. Es wird nicht mehr geschmeckt, wiedergekäut, reflektiert oder genossen. Nein, wir fressen und dann scheiden wir unverdaut wieder aus. Wir suchen uns im Katalog oder wahrscheinlicher im Internet, bei Google-Bilder oder bei Instagram eine Weide aus, nehmen ein bisschen Geld in die Hand und dann wird abgegrast. Möglichst viele Spots in möglichst kurzer Zeit, denn man weiß ja nicht, wann man den nächsten Urlaub bekommt von der Arbeit, die man eigentlich gar nicht machen will. Sehenswürdigkeiten abklappern, den Tipps der Bewertungsportale, Blogger und Youtuber folgen, die auch den letzten unerforschten, scheinbar unberührten Winkel eines Landes finden und ihn an den Rest der Welt heraus posaunen. Und dann geht es los: Es ist dabei nicht besonders wichtig, was die landestypischen Gepflogenheiten oder Benimmregeln sind, nicht wichtig, dass man Fledermäuse mit seinem Blitzlicht stört, Korallen zertrampelt, ganze Riffe zerstört oder Menschen in ihren Wohnzimmern fotografiert, denn man ist ja so wie so nur kurz zu Besuch. Man grast eine Woche oder zwei oder fünf oder sechs so herum und zieht dann weiter oder zurück zum Stall. Zurück bleibt ein völlig zertrampeltes, abgegrastes und matschiges Land.
Keine Frage, Tourismus ist super für die Wirtschaft. Die reichen Besucher werden schließlich auch ordentlich gemolken und ausgenommen – lokale Preise sind da nicht drin. Da Touristen höhere Preise zahlen können, sollen sie dies doch bitte auch tun. Wenn man mal die Perspektive wechselt, scheint das nur fair. Es funktioniert ja auch für alle Beteiligten. Und trotzdem scheint mir der Preis, den die Locals, das Land und besonders die Natur für diese Einnahmen zahlen, unvergleichlich hoch. Jedes Mal, wenn ein Land weiter touristisch erschlossen wird, ist es, als verlöre dieses Land etwas von seiner Unberührtheit, seiner Unschuld, etwas, das ihm für immer genommen wird.
Wir alle müssen uns also dringend mehr mit dem Thema von einem nachhaltigen Tourismus beschäftigen. Durch Globalisierung, Entwicklung und unser Bevölkerungswachstum erschließen wir immer mehr unserer »unberührten Weiden« und verkaufen sie an heißhungrige Viehherden, die nur darauf warten, die Halme aus dem Boden zu reißen. Kein Wunder, dass wir anfangen, den Tourismus auf den Mond zu verlegen. Gibt es doch schließlich bald keine Superlative mehr, wenn so mancher mit Anfang 30 schon einen Großteil unserer irdischen Länder bereist hat und seine Bucketlist schon dreimal neu schreiben musste. Es klingt wie das traurige Ende einer Geschichte, ist aber wahrscheinlich die nüchterne Wahrheit: Wenn wir nicht aufwachen, wird es diese Weiden bald gar nicht mehr geben. So wie wir das Reisen unserer Eltern nicht mehr kennengelernt haben (kommunikativ abgenabelt, mit Karte in der Hand und zu Flecken der Erde, die kein anderer in ihrem Freundeskreis je besucht hat) so werden die nächsten Generationen auch unsere Art des Reisens vielleicht nicht mehr nachvollziehen können. Das ist natürlich bis zu einem bestimmten Punkt einfach der Lauf der Dinge. Einen großen Anteil haben wir aber durch pure Ignoranz selbst zu verantworten. Schon jetzt kommt man in manchen Ecken Thailands an, in denen es deutsche Guides gibt, deutsche Restaurants mit deutschem Essen und sogar deutsche Straßenschilder. Wenn man so etwas sieht, fragt man sich doch, warum die Deutschen nicht einfach gleich in Deutschland bleiben.
Die Krux an dieser ganzen Geschichte ist, dass ich dieses ganze Problem beschreibe und zugleich ein Teil seiner bin. Ich wüsste all dies nicht, wenn ich es nicht erlebt hätte, was wiederum bedeutet, dass ich selbst zum Vieh gehöre und grundsätzlich nicht besser bin als all die anderen Trampeltiere. Und auch ich habe nicht vor, mit dem Reisen aufzuhören. Doch – und ich glaube, das ist entscheidend – ich merke wenigstens, dass ich zu der menschlichen Rasse der Trampeltiere gehöre und erkenne die Probleme, die ich verursache. Es reicht natürlich nicht, das Problem auszumachen und zu beschreiben. Man muss auch etwas verändern. Wir brauchen Lösungen. Wie kann ich reisen und trotzdem keine allzu tiefen Spuren auf den bezaubernden Hängen und Wiesen hinterlassen? Wie kann ich grasen, sodass nach meiner Mahlzeit genügend Gras für das nächste Vieh nachwächst? Wie kann ich zu Besuch sein und den Menschen vor Ort dabei angemessen begegnen? Wie können wir die Welt, wie wir sie kennen, erforschen und sie trotzdem für kommende Generationen erhalten?
Nun, die Antworten darauf würden sicherlich den Umfang dieses Textes sprengen und ich möchte sie auch nicht in Form einer kurzen Liste behandeln, sondern dem Thema angemessen und ausführlich gegenübertreten. Ich verspreche also, den Prozess, der in meinem Kopf in Gange ist, und die Lösungen, die ich vielleicht finde, in weiteren Artikeln hier mit euch zu teilen. Bleibt also dran!