3 Wege zum nachhaltigeren Reisen
So einige Male gingen mir die Folgen von Tourismus und Globalisierung ziemlich gegen den Strich. Trotzdem muss das nicht bedeuten, dass wir deshalb aufhören zu reisen. An einem der besuchten Strände ärgerten mich angeschwemmte Fischernetze und Müll derartig, dass ich einen kleinen Denkanstoß daraus bastelte, der daraufhin fleißig von vorbeikommenden Besuchern diskutiert und fotografiert wurde. Das war eine schöne Aktion – ein Besuch im Ausland muss aber natürlich nicht in stundenlangem Bastel-Aktivismus ausarten. Es reichen herunter gebrochen drei kleine Nachhaltigkeits-Prinzipien…
1. Langsamer – Probier’s mal mit Gemütlichkeit
Vielen geht es im Leben und besonders beim Reisen darum, möglichst viel in möglichst geringer Zeit zu sehen, zu erleben, abzuhaken. Was ist aber, wenn man versucht, in der gleichen Zeit an einem Ort zu bleiben und ihn dafür intensiver zu erkunden?
Ich bin mittlerweile sehr froh, dass ich in Kapstadt nicht auf der Durchreise war, sondern mir knapp drei Monate Zeit gegeben habe. So manch einer hätte in der gleichen Zeit ganz Südafrika abgereist und vielleicht noch weitere Länder. Diese Art des Reisens hat ja auch ihre Vorteile: Man sieht eine größere Vielfalt an Landschaften, Menschen und Erfahrungen und kommt ein wenig mehr oder weiter rum in der Welt. Und natürlich ist unsere jährliche Urlaubs- oder Reisezeit in den meisten Fällen begrenzt. Es geht mir aber gar nicht um 3 Monate oder 3 Wochen, sondern um die Art und Weise, wie man einen x-beliebigen Zeitraum beim Reisen nutzt.
Was ist, wenn man dem Ort und den Menschen mal die Zeit gibt, einem ihre Version darzulegen? Ihre Lieblingsplätze besucht, die Dinge tut, die sie dort tun, und die Menschen trifft, die zu ihrem Leben gehören? Man taucht in ihre Welt ein, in ihre Version der Stadt oder des Landes. Ich habe in Kapstadt Woche um Woche mit einem anderen Couchsurfer verbracht und so jedes Mal einen neuen Menschen, einen neuen Freundeskreis, einen neuen Stadtteil und einen neuen Lebensstil kennengelernt – »zu Besuch im Leben eines anderen«. Es ist (besonders bei drei Monaten) weder Urlaub noch wirklich Reisen. Es ist, für eine kurze Zeit, an diesem Ort leben. Man lernt ein paar Sprachbröckchen und kann diese mit den Leuten vor Ort austauschen. Man lernt, was die Regeln in der Gesellschaft vor Ort sind, spürt die Vibes und das Feeling, das der Ort rüberbringt.
Natürlich führt das Ganze zu dem Kompromiss, dass man in seinem Leben vielleicht nicht alle »sehenswerten« Städte, Länder und Orte von der Lonely Planet Liste abhaken kann. Aber ist es denn nicht auch viel schöner und erstrebenswerter, abseits von irgendwelchen Listen, Empfehlungen und Location-Suchen sein persönliches Glück einfach zu finden und selbst zu definieren? Wer hat denn zu entscheiden, was für mich persönlich »sehenswert« ist? Warum muss ich die Top-20-Städte unserer Welt besucht haben? Vielleicht finden wir unsere schönsten Erinnerungen nicht in den 5-10 größten, besten, schönsten Sehenswürdigkeiten eines Ortes, sondern in dem kleinen Café, das wir zufällig entdecken, während wir unsere Umgebung erforschen. Das klassische »Back to the Roots«, zurück auf den Boden der Tatsachen kommen, den Boden, auf dem wir uns befinden, wenn wir unterwegs sind.
2. Regionaler – Bleib auf dem Boden
Mir wird dabei bewusst, dass ich meinen eigenen Boden, meine eigene Stadt, mein eigenes Bundesland und eigentlich auch Deutschland noch nie auf diese Art erkundet habe. Natürlich ist man mal in anderen Ecken Deutschlands, besucht Freunde oder Veranstaltungen, macht einen kleinen Urlaub. Aber kann ich nicht genauso zu Hause reisen, wie ich es im Rest der Welt tue? Kann ich nicht mit der gleichen Neugierde, mit der gleichen Offenheit in meinem eigenen Land reisen? Natürlich ist der Sprach-, Kultur- und Klimaunterschied nicht ganz so gravierend wie bei einer Reise um die halbe Welt und doch kann man dank dieser Unterschiede sicherlich ganz neue Seiten, ganz neue Menschen in seinem eigenen Land finden. Oder einfach das Nachbardorf, -see oder -meer, ein Tagestrip in die Umgebung, ein Wochenende außerhalb der eigenen vier Wände, des eigenen Alltags und der eigenen Komfortzone. Warum nicht ein paar Kilometer rausfahren und Zelten? Warum nicht 2 Wochen bei einem Freund oder einem Fremden unterkommen? Warum nicht vor der eigenen Haustür zum Entdecker werden? Wenn wir es versuchen, können wir Erfahrungen und Erkenntnisse machen, die ähnlich denen sind, die ein Reisender in der großen weiten Welt erfährt.
Und selbst wenn wir uns gegen die Heimat entscheiden und in die Ferne wollen: Wir müssen ja nicht immer gleich fliegen. CO2 Emissionen, die wir beim Fliegen in unsere Umwelt pusten sind weitaus schlimmer als viele der kleinen Umweltverbrechen, die wir tagtäglich so akribisch zu vermeiden suchen. Wir können uns also andere Ziele suchen oder als Kompromiss bei den Zielen bleiben und nach alternativen Transportmitteln Ausschau halten. Inlandsflüge sind komplett unnötig, Flüge in Europa lassen sich häufig durch günstige Busverbindungen vermeiden. Natürlich sind da wieder die kleinen sehr bedeutenden Faktor Zeit und Bequemlichkeit. Aber warum nicht auch mal den Weg als Ziel sehen? Wir hetzen immer von Ziel zu Ziel, merken gar nicht mehr, wo wir eigentlich sind, wie weit wir uns bewegen. Wir steigen in ein Flugzeug, genießen einige Stunden Board-Programm und -küche und steigen dann irgendwo auf der Welt wieder aus, ganz als wären wir dorthin teleportiert.
Sollte aber das Traumziel in einem vertretbaren Rahmen eben nur im Flugzeug erreichbar sein, gibt es Unternehmen wie Atmosfair. Das System von Atmosfair berechnet einem den CO2-Ausstoß seiner Flüge und daraus einen Betrag, den man zum Ausgleich seiner Freveltat in ein ökologisches Projekt investieren kann. Vermeiden ist zwar besser als Ausgleichen, aber Ausgleichen ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung immer noch deutlich besser als Ignoranz:)
3. Bewusster – Watch Your Steps
Und genau um diese kleine Schritte geht es, wenn wir unsere Art des Reisens hinterfragen. Es geht nicht um ein gebuchtes »Nachhaltigkeits-Erlebnis« (zum Thema Eco-Tourismus möchte ich an dieser Stelle nicht so ausführlich werden, da der ganze Bereich relativ komplex ist, und neben einigen wirklich guten Projekten nicht nur jede Menge Green-Washing betrieben wird sondern teilweise noch größere Schäden angerichtet werden).
Auch geht es nicht nur um Entfernung und Geschwindigkeit. Es geht um ein allgegenwärtiges Bewusstsein. Wir sind zu Gast. Selbst wenn wir zu Hause sind, sind wir zu Gast in unserer Stadt in unserem Land, in unserer Natur. Wir sollten nichts in unserer Umgebung als selbstverständlich annehmen. Wenn wir irgendwo zu Besuch sind, irgendwo eine gewisse Zeit verbringen, irgendwo leben, nutzen wir einen Lebensraum, interagieren wir mit anderen Bewohnern dessen und nehmen in irgendeiner Form einen Platz in ihm ein. Wir beeinflussen seine Wirtschaft, die Einwohnerdichte, das BIP , vielleicht, wie viele Hotels gebaut werden, oder wie gut die Infrastruktur sich entwickelt. Wir produzieren Müll, Lärm und Gestank und Geschwindigkeit, weil wir Menschen sind. Mit der Entscheidung, wo wir uns in dieser Sekunde, Woche oder im ganzen nächsten Jahr aufhalten, verändern wir den jeweiligen Ort, formen wir unsere ganze Welt. Man sollte ab und zu reflektieren und sich bewusst machen, wo man sich denn eigentlich aufhält oder sich aufhalten will, warum überhaupt und welche Folgen das für den jeweiligen Ort hat. Und dann sollte man versuchen, dem Ort und der Gesellschaft vor Ort etwas zurückzugeben. Etwas von dem zurückzugeben, was man ihm genommen hat, dem Ort etwas zu geben, das ihn den bleiben lässt, der er vorher war, oder ihm etwas hinzufügt, das ihm gut tut. Wenn man einen Ort besucht, wie lange auch immer, wird man zumindest für eine kurze Zeitspanne ein Teil von ihm – und wir können bewusst entscheiden, wie dieser Teil aussehen soll, ob wir Spuren hinterlassen und wenn ja, wie tief diese sind.