Wir sind alle unzufriedende Streber!

Ich kam neulich zu einer Erkenntnis, von der ich nicht weiß, ob sie mich beruhigt oder verzweifeln lässt. Und zwar habe ich mir Gedanken gemacht über das Thema Zufriedenheit. Es ist eigentlich ganz gleich, was wir tun – wir wollen mehr.
Wenn wir eine bestimmte Summe an Einkommen haben, haben wir diesen und jenen Wunsch, für den wir aber ein wenig mehr verdienen müssten. Dann rackern wir uns ab und schaffen es, mehr zu verdienen, erfüllen uns unseren Wunsch, haben dann allerdings einen neuen vielleicht viel teureren Wunsch, sind somit trotzdem nicht zufrieden und fangen praktisch wieder von vorne an.
Gleich diesem Beispiel kommt unser Zustand, wenn uns das Fernweh kitzelt. Wir reisen an einen Ort, den wir schon immer sehen wollten, und kaum sind wir da, fallen uns 5 weitere Orte ein, die wir aufsuchen wollen. Ein Ziel zu erreichen, genügt uns nicht im ständigen Streben nach mehr. Es scheint viel mehr ein Weg zu sein, der, ganz ohne ein Ende in Aussicht zu stellen, weit in die Zukunft reicht.
Es scheint, als würde jede Handlung in uns ein Verlangen nach einer anderen Handlung auslösen. Ein ständiges Bewegen und selbst verschuldetes Abmühen – fast so als würden wir den Berg aus Legosteinen, den wir versuchen zu erklimmen, mit jedem Schritt nach oben auch einen Stein höher bauen. Wo liegt in diesem Prinzip also der Sinn?

Wahrscheinlich ist es eine unterbewusste angewöhnte Handlung. Hunger kommt beim Essen, sagt man. Wahrscheinlich ist das Leben wie ein großes Festmahl, das vor uns steht und uns verführt. Normaler Weise isst man etwas und ist dann satt. Man verspürt eine angenehme kurz anhaltende Befriedigung, die normaler Weise so lange halten würde, bis wir wieder Hunger bekommen. Als sei dieser Kreislauf an sich nicht fatal und sinnlos genug, essen wir aber allein deshalb weiter, weil die gedeckte Tafel so verlockend ist und wir nichts von ihr verpassen wollen. Wir nehmen zu und wachsen aus unseren Klamotten heraus und haben dann noch mehr Hunger, weil wir einerseits nun einen größeren Magen haben und andererseits auch mehr verbrennen.
Ohne erwähnen zu müssen, dass Diäten an dieser Stelle nicht der richtige Weg sind und daran erinnernd, dass das auf dieser verstrickten metaphorischen Ebene auch zu weit führen würde, meine ich ja bloß, dass wir vielleicht lernen müssen, an einem bestimmten Punkt zufrieden zu sein.
Wir Menschen versuchen, unseren eigenen Schatten zu fangen. Wir sind wie Esel, die der Karotte hinterherlaufen, die mit einem Stock und einer Schnur an unserem eigenen Kopf befestigt ist.

Mir wird klar, dass wir so lange nicht zufrieden sein können, wie wir nicht ein gewisses Maß an Genügsamkeit und Verzicht üben. Wertschätzung und Dankbarkeit für das, was wir bereits haben im Hier und Jetzt und nicht weit in der Zukunft, sollte an erster Stelle stehen. Der Moment, den wir gerade in just dieser Sekunde erleben, sollte doch wohl allein deshalb der wertvollste sein, weil er real ist und keine verräterisch schillernde Zukunft seiner selbst.

Wir stehen eine gute Stunde auf der dritten Treppenstufe und wollen ganz nach oben. Wir heben unseren Fuß doch verlieren das Gleichgewicht und fallen runter bis auf den Boden. Verzweifelt dort liegend sehnen wir uns nun danach, auf der dritten Treppenstufe zu stehen, auf der wir bereits eine ganze Stunde standen, ohne uns darüber zu freuen. Wir standen dort freudlos, weil wir weder nach unten geschaut haben, um zu sehen, was wir geschafft haben, noch in unsere Umgebung, um die Aussicht zu genießen sondern nach oben, unzufrieden, noch nicht angekommen zu sein. Wo wir stehen und womit wir zufrieden sind diesem Vergleich nach also vollkommen relativ und nicht relevant.
Wahrscheinlich geht es dem, der auf der dritten Stufe steht und happy ist, dass er schon so viel geschafft hat und jetzt die tolle Aussicht genießen kann, viel besser als dem, der den Gipfel zwar erreicht hat, darin aber keine Erfüllung findet, weil er bereits auf der Suche nach einem höheren Berg ist.

Wenn wir es so betrachten wird es eigentlich gleichgültig, auf welcher Stufe wir stehen, wie viel Geld wir besitzen, an welchen Orten wir waren oder was sonst wir erreicht oder nicht erreicht haben. Denn so lange wir nicht lernen, die Zufriedenheit im Moment und im Sein zu finden, werden wir kein Ziel je erreichen.