Re-Owning my Blood

Ich möchte über ein Thema schreiben, das den meisten geläufig ist, aber nicht allen vertraut. Es bewegt den Körper und den Alltag jeder Menge Menschen – mal als Einschränkung, mal als Geschenk und mal als Startpunkt für ein neues Leben.
Ich spreche vom weiblichen Zyklus und dem Blut, das einmal im Monat meinen Körper verlässt. Knapp die Hälfte unserer Weltbevölkerung blutet mit mir. Man möchte also meinen, es sei das normalste der Welt. Aber aus meiner ganz persönlichen Erfahrung und meinem Wissen über unsere Welt ist es das (noch) nicht – zumindest nicht für alle. Und genau aus diesem Grund möchte ich dazu ein paar Worte sagen und ein bisschen was erzählen.

Mein Bezug zum Thema fing schon im jugendlichen Alter von ca. 13-14 Jahren an. Schon als junge Mädchen steckten wir uns kichernd und heimlich Tampons zu. Im Sportunterricht auszufallen, weil man »seine Erdbeerwoche« hatte, wurde schnell von anderen mit Augenrollen kommentiert und ich erinnere, dass sich einige Mädchen stattdessen lieber krank meldeten. Den Jungs war das Thema dabei eher fern, mysteriös und mit Fremdscham behaftet. Und natürlich konnten weder die kleine eher peinlich empfundene Einheit Sexualkunde noch die sporadischen Aufklärungsversuche untereinander daran etwas ändern.
Auch in der heutigen erwachsenen Berufswelt gibt es vermutlich viele menstruierende Menschen, die mit PMS, Krämpfen oder anderen von ihrer Blutung ausgelösten Beschwerden eigentlich nicht arbeitsfähig sind und dies aus verschiedensten Gründen nicht offen oder frei kommunizieren können. Was die Männerwelt angeht bzw. generell alle Menschen, die nicht menstruieren, so treffe ich auch dort und in fortgeschrittenem Alter häufig auf Unwissen, Schüchternheit oder Schweigen. Bisher habe keine Frau mit ihnen so offen darüber gesprochen, es groß thematisiert oder ihnen ihr Blut gezeigt. Es sei ja für sie auch nicht so relevant.
Und das Gefühl kann ich gut nachvollziehen. Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass es hochrelevant ist. Unser Blut ist nicht bloß etwas, das hinter verschlossenen Klotüren und in unserem Privatleben eine Bedeutung hat, sondern es ist aus meiner Sicht ein Thema, das zum einen gesellschaftlich und kulturell unser Miteinander beeinflusst und zum anderen hoch politisch ist.

Die Periode der Frau hat historisch gesehen nicht nur zu gesellschaftlicher Ächtung geführt, sondern auch zum Ausschluss oder Einschränkung vom Berufsleben. Hinzu kommen eine finanzielle Benachteiligung und teilweise die Gefährdung der Gesundheit durch für manche Menschen unerschwingliche Periodenprodukte und Hygiene-Artikel.
Der Fakt, dass wir überhaupt das Wort »Hygiene-Artikel« benutzen, macht einen weiteren sehr essenziellen Aspekt auf. Die Bezeichnung deutet nämlich an, dass wir uns wenigstens sprachlich in der Annahme befinden, dass die Blutung der Frau etwas »Schmutziges« ist. Auch Ekel nehme ich zusammenhängend damit oft wahr. Und vielleicht geht es dabei gar nicht mal unbedingt immer um Menstruationsblut, sondern um Blut im Allgemeinen: Manche Menschen können kein Blut sehen, andere wollen es nicht berühren und blutige Stellen am Körper oder Blutflecken in der Kleidung können dazu führen, dass Mitmenschen auf Abstand gehen. Das ist etwas paradox, wenn wir uns vor Augen führen, dass Blut so etwas wie die Essenz unseres (Über-)Lebens ist. Eigentlich sollte es also eher etwas Heiliges als etwas Tabuisiertes sein.

In einigen Kulturen geht dieses Tabu so weit, dass Frauen während ihrer Periode in so genannte Menstruationshütten geschickt werden, um in der Zeit, in der sie »schmutzig« sind, andere damit nicht zu behelligen oder zu verunreinigen. Das kann abgesehen von der gesellschaftlichen Abwertung und damit psychologisch starken Belastung für die Frauen aufgrund von mangelnder Ausstattung, Versorgung und Sicherheit dieser Hütten lebensgefährlich sein.
Dabei sind der weibliche Zyklus und die damit verbundenen Prozesse verantwortlich dafür, dass wir als Individuen und als Menschheit überhaupt erst geboren wurden. Alles, was sich also dagegen richtet oder unser Bluten abwertet, richtet sich aus meiner heutigen Sicht eigentlich gegen das Leben selbst.

Wenn ich aber über kollektive Themen spreche, bin ich selbst die erste, bei der ich mit meiner Betrachtung oder Reflexion anfangen sollte. Auch ich habe lange gebraucht und bin nach wie vor im Prozess, die Jahre lang konditionierten Verhaltensweisen, Aussagen und Gefühle, die mit meiner Monatsblutung zusammenhängen, neu zu verfassen. Ich habe so oft in diesem Leben schon Scham empfunden, wenn es um mein Blut oder den Umgang damit ging, bin so oft in Unterhaltungen oder in alltäglichen Abläufen um das Thema herum getänzelt und habe etliche kleine Vermeidungsstrategien angewendet, um nicht in die Konfrontation zu gehen. Das hat dazu geführt, dass es Zeiten gab, in denen auch ich selbst mich vor meinem Blut und diesem Teil meines Körpers geekelt habe. Wenn ich früher Tampons wechselte, wanderten diese, so schnell es ging, in eine dafür vorgesehene Tüte oder ein Stück Klopapier. Im Schwimmbad schämte ich mich, wenn das Bändchen des Tampons aus dem Bikini rausschaute. Und auch in intimen Beziehungen und im sexuellen Kontakt wurde ich einige Male mit Ekel, betretenem Schweigen, aktiver Ablehnung oder Distanz konfrontiert, wenn die Begegnung an einem der entscheidenen fünf Tage stattfand. Ab einem gewissen Punkt wurde die Phase der Blutung so zu einer Zeit, in der ich mich automatisch aus dem intimen Kontakt zurückzog oder auf Abstand ging.
Die Reaktionen anderer Menschen und die Erfahrungen, die ich in meinem Alltag machte, bestimmten also maßgeblich, wie ich selbst diesen Aspekt meines Körpers wahrnahm. Auch wenn ich in einem sehr offenen Elternhaus großgeworden bin, überwogen und prägten mich vor allem diese Eindrücke des gesellschaftlichen Umgangs, des öffentlichen Raums und den sozialen Gefügen und Beziehungen, in denen ich mich bewegte.

Der Wandel hin zu einem offenen und verbundenen Umgang mit dem Thema hat einige Jahre gedauert und findet immer noch statt. Mein Blut wirklich wirklich angesehen habe ich mir damals zum ersten Mal, als ich anfing, eine Menstruationstasse zu benutzen (die Tasse sammelt das Blut noch im Körper und wird mehrere Male am Tag ausgeleert). Es ist rot – Achtung, nicht wie in einigen Werbeblöcken für Periodenprodukte hellblau – und dabei mal dunkel, mal heller, mal bräunlich, meistens schleimig und manchmal klumpig. Jap, ich nehme kein Blatt mehr vor den Mund.
Wenn ich das Blut heute an meinen Händen habe und seine Bedeutung spüre, verbindet mich das mit dem Ursprung des Lebens. Es ist die Materie, es sind die Zellen und die Nährstoffe, aus denen bei einer Befruchtung ein Embryo und damit neues Leben entsteht. Es ist eigentlich ein Wunder der Natur und ein Grund zum Feiern! Und ich möchte damit nicht die Menschen abwerten, die nicht menstruieren, sondern lediglich diesen faszinierenden Prozess wertschätzen und ihm eine Bühne geben.
Es hat etwas unfassbar Kraftvolles, den Zugang zu diesem Teil meines Körpers wiederzufinden. Mit jedem Schritt, den ich in diese Richtung mache, habe ich das Gefühl, dass ich weniger auf das reagiere, was mir die Außenwelt an Geschichten dazu erzählt. Ich erobere das Gefühl zurück, dass mein Blut und mein Umgang damit mir gehören und dass ich meine eigene Geschichte dazu erzählen kann. Es ist fast ein wenig so, als würde ich mir selbst damit etwas meiner Weiblichkeit vor allem aber meiner Menschlichkeit zurückgeben.

Warum ich dieses blutige Thema hier in aller Öffentlichkeit ausbreite? Für mich ist dieser Text und seine Veröffentlichung Teil eines persönlichen und kollektiven Prozesses hin zur Normalisierung – auch wenn es mich nach wie vor Mut kostet. Ich habe seit einigen Jahren stetig mehr Frauen in meinem persönlichen Umfeld, die sich wieder mit ihrem Zyklus und seinem Einfluss auf unser Leben beschäftigen. Vor etwa einem Jahr habe ich an dem drei-monatigen Zyklus-Kurs Know Your Flow bei Ruby May teilgenommen und bin noch einmal viel tiefer eingetaucht in die Welt der Weisheit unseres Unterleibs. Dafür bin ich sehr dankbar.
Ich stelle freudig fest, dass es eine wachsende Zahl solcher Angebote gibt – Angebote, die uns Wissen an die Hand geben, uns unterstützen, eine Wiederverbindung zu unseren Körpern und miteinander herzustellen, und uns Inspiration spenden, zyklische Achtsamkeit in unser Leben zu integrieren. Da sind dann Fragen wie: Was braucht mein Körper in den einzelnen Phasen meines Zyklus und wie kann ich ihn dabei unterstützen? Wie erlebe ich mich selbst in den unterschiedlichen Zeiträumen? Welche Gefühle fühle ich und wie interagiere ich mit meinen Mitmenschen? Wie kann ich die Qualitäten der hormonellen, energetischen und emotionalen Reise so nutzen oder integrieren, dass sie mir dienen? Wie finden meine emotionalen und körperlichen Bedürfnisse einen Platz in unserer Welt, wie sie heute ist und funktioniert? Oder andersherum: Wie können wir einen Kulturwandel unterstützen oder Räume gestalten, sodass wir mit allem da sein können, was wir gerade sind und brauchen?

Ich hoffe, mit diesem Text dazu beizutragen, dass diese Fragen sich ein Stückchen weiter verbreiten und das Thema ein paar Zeilen mehr Sichtbarkeit in der Welt erlangt.
Und vielleicht begegnest du dem Thema – falls du es nicht eh schon tust – das nächste Mal, wenn du einen Berührungspunkt hast, mit einer Offenheit und Neugier. Vielleicht erinnerst du dich dann an diesen Artikel. Vielleicht kannst du dich im Bezug auf das Thema beobachten und vielleicht erlebst du am Ende eine neue Erfahrung oder eine verbindende Begegnung – mit dir selbst oder einem anderen Menschen.